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- Leben im Alter
Belastung pflegender Angehörige: Warum sie entsteht und was wirklich entlastet
Wer ein Familienmitglied zu Hause pflegt, übernimmt eine Aufgabe, die körperlich, emotional und organisatorisch extrem fordernd sein kann. Viele Angehörige jonglieren mit Pflege, Beruf, Familie und Alltag – oft ohne Pause und ohne ausreichende Unterstützung. Die Folge: Erschöpfung, Überforderung und das Gefühl, ständig funktionieren zu müssen. Gleichzeitig sprechen viele nicht darüber, weil sie „nicht klagen“ wollen oder den Pflegebedürftigen nicht zusätzlich belasten möchten. Wir geben Ihnen einen Überblick darüber, was in der häuslichen Pflege belastet und wie Sie durchatmen können.
Das Wichtigste in Kürze
- Pflegende Angehörige erleben sowohl körperliche als auch psychische Belastungen.
- Diese Belastungen können sich auf die Gesundheit auswirken und zu Erschöpfung, Schlafproblemen oder Stimmungsschwankungen führen.
- Unterstützung durch Entlastungsangebote, Beratung, Selbsthilfegruppen oder professionelle Pflegekräfte kann helfen, die Belastung zu reduzieren.
- Die Resilienz spielt eine wichtige Rolle, um Stress besser zu bewältigen und das eigene Wohlbefinden zu stärken.
Warum die Belastung für pflegende Angehörige so hoch ist
Die meisten Menschen rutschen ohne große Vorbereitung in die Rolle der Pflegeperson, etwa durch einen plötzlichen Pflegefall. Nun müssen sie schnell Entscheidungen treffen, Termine organisieren und die häusliche Pflege übernehmen. Dazu kommen oft Unsicherheiten: Welche Leistungen stehen uns zu? Was muss ich im Alltag unbedingt beachten? Wie vereinbare ich die Pflege mit meinem Job?
Dieses „Hineinwachsen“ ohne Anleitung ist einer der größten Belastungsfaktoren für pflegende Angehörige. Viele starten motiviert, merken aber schnell, wie komplex Pflege tatsächlich ist – körperlich, emotional und organisatorisch. Hinzu kommt, dass sich die Pflegesituation schleichend verändern kann: Ein Angehöriger schläft unruhiger, wird schwächer, braucht mehr Unterstützung oder eine Pflegegrad-Höherstufung. Die Anforderungen steigen also, aber der eigene Energiehaushalt kann oft nicht mithalten. Das Ergebnis ist häufig ein Dauerzustand aus Anspannung, schlechtem Schlaf, wenig Freizeit und dem Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen.
Gut zu wissen!
Mit Gefühlen von Überlastung sind Sie nicht alleine. Eine Umfrage unter 565 Pflegefachpersonen beziehungsweise Diensten aus fast allen Bundesländern zeigt, dass pflegende Angehörige besonders häufig unter emotionalen (75 %), psychischen (68 %), zeitlichen (57 %) und körperlichen Belastungen (51 %) leiden.
Psychische und körperliche Belastung pflegender Angehöriger
Die Belastung pflegender Angehöriger entsteht auf mehreren Ebenen gleichzeitig – seelisch und körperlich. Wie stark Ihnen die Pflegesituation zusetzt, hängt aber auch von Ihren persönlichen Ressourcen ab. Sehr resiliente Menschen, also mit einer hohen seelischen Widerstandskraft, kommen psychisch meist später an ihre Grenzen als Personen mit weniger Resilienz. Natürlich spielen auch Gesundheitseinschränkungen eine Rolle: Häufig wird nämlich vergessen, dass auch pflegende Angehörige nicht selten chronisch krank sind.
Psychische Belastung pflegender Angehöriger
Die psychische Belastung pflegender Angehöriger ist häufig etwas, das Menschen unterschätzen. Eine große Verantwortung, die Pflegepersonen auf ihren Schultern spüren und die ständige Wachsamkeit, die von ihnen erwartet wird, erzeugen einen Druck. Dieser Druck zerrt langsam aber stetig an den Kraftreserven.
Typische Auslöser und Folgen psychischer Belastung sind:
- Dauerstress: ständige Erreichbarkeit, wachsende Verantwortung
- Schuldgefühle: das Gefühl, nicht genug zu tun oder eigene Bedürfnisse hintenanzustellen
- Emotionale Erschöpfung: Überforderung, Gereiztheit, innere Leere
- Schlafprobleme: unruhige Nächte, nächtliche Pflegeeinsätze, Grübelphasen
- Soziale Isolation: weniger Kontakte, kaum gemeinsame Aktivitäten mit Freunden
Viele pflegende Angehörige beschreiben, dass sie „funktionieren“, aber innerlich nicht mehr zur Ruhe kommen. Die psychische Belastung pflegender Angehöriger entwickelt sich schleichend und bleibt oft lange unbemerkt.
Körperliche Belastung pflegender Angehöriger
Zur emotionalen Last kommt häufig die körperliche hinzu. Pflege bedeutet oft heben, stützen, umlagern oder ständige Bereitschaft im Alltag. Das geht an die Substanz – besonders, wenn keine Hilfsmittel oder Entlastungsangebote genutzt werden.
Häufige körperliche Folgen sind:
- Rücken- und Gelenkschmerzen durch wiederholtes Heben und Tragen
- Erschöpfung und Müdigkeit nach langen Pflege- und Arbeitstagen
- Kopfschmerzen und Verspannungen durch Stress und Schlafmangel
- Geschwächtes Immunsystem, weil der Körper dauerhaft unter Spannung steht
Die Kombination aus körperlicher Anstrengung und psychischer Belastung bei pflegenden Angehörigen ist besonders herausfordernd. Viele Pflegende kommen dadurch an ihre Grenzen und haben das Gefühl, sie wissen nicht weiter.
Folgen der Belastung für pflegende Angehörige
Wenn die Belastung über längere Zeit anhält, verändert Sie Ihren Alltag deutlich. Eigene Bedürfnisse treten zurück und Ihr persönlicher Bereich schrumpft. In der wenigen Zeit, die Sie für sich haben, fehlt Ihnen vielleicht der Antrieb, sich um soziale Kontakte zu kümmern. Ein allmählicher Verlust an Energie ist übrigens sehr typisch: Tätigkeiten, die Ihnen früher leichtfielen, werden anstrengender. Gleichzeitig gelingt es Ihnen nicht mehr, sich richtig zu erholen.
Darauf reagiert Ihr Körper mit Müdigkeit, Verspannungen oder einem allgemeinen Gefühl der Erschöpfung. Auch seelisch zeigt sich die dauerhafte Anspannung. Das Abschalten fällt schwer, kleinere Probleme wirken größer als sonst und eine innere Unruhe wird zu Ihrem ständigen Begleiter. Möglicherweise spüren Sie die Doppelbelastung auch im Job, etwa durch nachlassende Konzentration oder das Gefühl, den verschiedenen Anforderungen nicht mehr gerecht zu werden.
Gut zu wissen!
Wenn Sie stark belastet und/oder überfordert sind, kann bei Ihnen das Risiko für ernsthafte gesundheitliche Folgen steigen. Das können beispielsweise Depressionen oder Bandscheibenvorfälle sein.
Belastung für pflegende Angehörige: Praktische Lösungen
Sie können Ihre Belastung deutlich reduzieren, wenn Sie vorhandene Unterstützungsangebote nutzen und gezielt auf Ihre eigenen Bedürfnisse achten. Professionelle Dienste wie ambulante Pflegedienste oder die Tagespflege entlasten Sie körperlich, während Beratungsstellen Orientierung über Leistungen und Rechte geben.
Auch finanzielle Entlastungen wie der Entlastungsbetrag oder die Verhinderungspflege ermöglichen Ihnen regelmäßige Pausen – das reduziert auch die psychische Belastung pflegender Angehöriger. Im Alltag helfen feste Routinen, Hilfsmittel und eine klare Aufgabenverteilung im Haushalt, Stress zu minimieren.
Gleichzeitig sollten Sie Ihre eigene Gesundheit nicht vernachlässigen: kurze Auszeiten, Bewegung, ausreichend Schlaf und soziale Kontakte tragen entscheidend dazu bei, Überlastung zu vermeiden. Gespräche mit Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen unterstützen Sie emotional und schaffen praktische Entlastungsmöglichkeiten.
Unsere Tabelle fasst Ihnen die Entlastungsmöglichkeiten für Ihren Alltag zusammen.
| Bereich | Möglichkeiten | Vorteile |
| Professionelle Dienste | Pflegedienste, Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege, Beratungsstellen | Entlastung im Alltag, Unterstützung bei körperlich belastenden Aufgaben, Orientierung über Pflegeleistungen |
| Leistungen der Pflegeversicherung | Finanzielle Unterstützung, Möglichkeit für Pausen, Sicherheit im Umgang mit pflegerischen Aufgaben | |
| Alltag & Organisation | Feste Routinen, Aufgabenverteilung, Hilfsmittel (Pflegebett, Gehhilfen) | Weniger Stress, klare Strukturen, Reduzierung körperlicher Belastung, Entlastung für Körper und Psyche |
| Eigenfürsorge | Kurze Pausen, Bewegung, Entspannungsübungen, soziale Kontakte | Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit, Stressabbau |
| Soziales Umfeld einbeziehen | Familie, Freunde, Nachbarn an Aufgaben beteiligen, Nachbarschaftshilfe | Aufgabenaufteilung, emotionale Unterstützung, mehr Freiräume für eigene Erholung |
| Emotionale Unterstützung | Beratungsstellen, psychologische Dienste, Selbsthilfegruppen | Austausch von Erfahrungen, emotionale Entlastung, Prävention von Überlastung |
Unser Tipp: Arbeiten Sie an Ihrer Resilienz
Resilienz, also die Fähigkeit, mit Stress und Belastungen gesund umzugehen, ist für pflegende Angehörige besonders wichtig. Indem Sie Ihre Widerstandskraft stärken, können Sie vor allem die psychische Belastung besser ausgleichen und langfristig stabil bleiben.
Die sieben Säulen der Resilienz bieten dafür einen guten Rahmen:
- Akzeptanz: Nehmen Sie an, dass Pflegeaufgaben herausfordernd sind und Sie nicht alles kontrollieren können. Das hilft, unnötigen inneren Druck zu vermeiden.
- Optimismus: Versuchen Sie, schwierige Situationen auch als Chance für Entwicklung zu sehen und sich auf Lösungen zu fokussieren.
- Lösungsorientierung: Überlegen Sie aktiv, welche Schritte Sie unternehmen können, um Ihre Belastung zu reduzieren – nehmen Sie beispielsweise Hilfsangebote an oder machen Sie organisatorische Anpassungen.
- Verantwortungsübernahme: Achten Sie darauf, dass Sie auch Verantwortung für Ihre eigene Gesundheit übernehmen.
- Soziale Netzwerke: Pflegen Sie Kontakte zu Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen. Durch die Unterstützung und den Austausch können Sie emotionale Lasten besser teilen.
- Zukunftsplanung und Zielorientierung: Setzen Sie sich realistische, erreichbare Ziele im Alltag und planen Sie bewusst Pausen ein.
- Selbstreflexion: Beobachten Sie Ihre Gedanken und Gefühle regelmäßig, erkennen Sie frühe Warnsignale von Überlastung und entwickeln Sie Strategien, um gelassener zu bleiben.
Indem Sie alle sieben Säulen berücksichtigen, stärken Sie nicht nur Ihre eigene Gesundheit, sondern verbessern auch die Qualität der Pflege. Je weniger belastet Sie selbst sind, desto besser können Sie auf die Bedürfnisse Ihres Angehörigen eingehen.
FAQ – Häufige Fragen zur Belastung pflegender Angehöriger
Woran erkenne ich, dass ich in der Pflege überlastet bin?
Typische Anzeichen für eine Überlastung sind anhaltende Müdigkeit, Schlafprobleme, innere Anspannung, Reizbarkeit oder Rückenschmerzen. Auch soziale Isolation oder Konzentrationsschwierigkeiten können auf eine psychische Belastung pflegender Angehöriger hinweisen.
Wie kann man die psychische Belastung pflegender Angehöriger verringern?
Es ist hilfreich, regelmäßige Pausen einzuplanen, soziale Kontakte zu pflegen und Prioritäten im Alltag bewusst zu setzen. Auch einfache Entspannungsübungen können dabei unterstützen, Stress zu reduzieren. Beratungsstellen oder psychologische Dienste stehen zusätzlich zur Verfügung und bieten weitere Möglichkeiten, Belastungen abzufedern.
Welche Entlastungsangebote kann ich nutzen?
Pflegende Angehörige können verschiedene Leistungen nutzen, um ihren Alltag zu entlasten. Dazu zählen zum Beispiel der Entlastungsbetrag, die Verhinderungspflege, die Tagespflege oder eine hauswirtschaftliche Unterstützung. Auch Pflegekurse oder Selbsthilfegruppen können praktische Hilfen bieten und gleichzeitig emotionale Unterstützung liefern.
Weiterführende Informationen und hilfreiche Links
- Psychische Belastungen und Beanspruchungen von pflegenden Angehörigen und die Herausforderung Interaktionsarbeit | Zeitschrift für Arbeitswissenschaft
- Entlastung in der Pflege - Stiftung ZQP
- Überlastung bei pflegenden Angehörigen | gesund.bund.de
- Umfrage zur Situation pflegender An- und Zugehöriger - Diakonie Deutschland