- Lesedauer: 6 Minuten
- Pflegegesetz & Pflegerecht
Pflege und Beruf vereinbaren: Das Pflegezeitgesetz im Überblick
Wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird, steht Ihr Alltag Kopf. Plötzlich müssen Arzttermine koordiniert, Medikamente organisiert und Pflegeaufgaben übernommen werden – oft neben dem Beruf und den eigenen Verpflichtungen. Genau hier greift das Pflegezeitgesetz: Es gibt Ihnen die Möglichkeit, sich vorübergehend von der Arbeit freistellen zu lassen, ohne Ihren Job zu gefährden. Zudem unterstützt es Sie finanziell, wenn Sie sich um Ihr Familienmitglied kümmern. Wir erklären Ihnen, welche Rechte Sie haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Pflegezeit ermöglicht, zur Pflege naher Familienmitglieder, eine vorübergehende Freistellung von der Arbeit.
- Es gibt drei verschiedene Varianten, die kurz, mittel- und langfristig helfen.
- Während der Pflegezeit erhalten Pflegende kein Gehalt. Für kurze Freistellungen können Angehörige Pflegeunterstützungsgeld beantragen, für längere Zeiträume ein zinsloses Darlehen.
- Die Freistellung muss rechtzeitig beim Arbeitgeber schriftlich angemeldet werden.
Was ist das Pflegezeitgesetz?
Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) unterstützt Arbeitnehmer:innen dabei, die Pflege eines nahen Angehörigen mit dem Beruf zu vereinbaren. Es regelt, wann und wie Sie sich vorübergehend von der Arbeit freistellen lassen können, welche finanzielle Unterstützung Ihnen zusteht und welchen Kündigungsschutz Sie genießen.
Konkret bedeutet das für Sie als pflegenden Angehörigen:
- Freistellung von der Arbeit: Sie können für eine begrenzte Zeit ganz oder teilweise von Ihrer Arbeit freigestellt werden, um Ihr pflegebedürftiges Familienmitglied zu betreuen.
- Finanzielle Unterstützung: Für bestimmte Freistellungen können Sie Pflegeunterstützungsgeld oder zinslose Darlehen erhalten.
- Kündigungsschutz: Während der Pflegezeit sind Sie vor einer ordentlichen Kündigung geschützt.
Das Gesetz richtet sich an alle, die nahe Angehörige pflegen, zum Beispiel Eltern, Ehepartner:innen, Kinder oder Großeltern. Ziel ist es, Ihnen Sicherheit zu geben, damit Sie sich auf die Pflege konzentrieren können, ohne Ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Beispiel aus dem Pflegealltag:
Stellen Sie sich vor, Ihre Mutter wird nach einem Schlaganfall pflegebedürftig. Dank des Pflegezeitgesetzes können Sie kurzfristig ein paar Tage freinehmen, um die ersten organisatorischen Schritte zu erledigen. Wenn die Pflege länger nötig ist, haben Sie die Möglichkeit, mehrere Monate Teilzeit zu arbeiten oder vollständig freigestellt zu werden – mit finanzieller Unterstützung und Kündigungsschutz.
Welche Arten von Pflegezeit gibt es?
Wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird, stehen viele Fragen im Raum: Wie lange kann ich freinehmen und wie beweise ich die Pflegebedürftigkeit? Die folgende Übersicht zeigt Ihnen drei wichtige Arten der Pflegezeit und wer Anspruch darauf hat.
Art der Pflegezeit | Dauer & Anspruch | Praxisbeispiel |
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (Pflegezeitgesetz 10 Tage) | Bis zu 10 Tage, alle Arbeitnehmer:innen, ärztliche Bescheinigung erforderlich | Ihr Vater stürzt – Sie nehmen kurz frei, um Arzttermine zu koordinieren. |
Pflegezeit | Bis zu 6 Monate, Betriebe ≥15 Beschäftigte, Pflegegrad erforderlich | Ihre Partner:in ist pflegebedürftig – Sie arbeiten Teilzeit oder nehmen eine Freistellung. |
Sterbebegleitung | Bis zu 3 Monate, alle Arbeitnehmer:innen, ärztliche Bescheinigung erforderlich | Ihre Großmutter ist unheilbar krank – Sie begleiten sie in der letzten Lebensphase. |
Pflegezeit oder Familienpflegezeit – wo ist der Unterschied?
Beide Gesetze unterstützen Sie als pflegenden Angehörigen, Beruf und Pflege zu vereinbaren, aber sie greifen in unterschiedlichen Situationen.
- Pflegezeitgesetz (PflegeZG): Dieses Gesetz kann Anwendung finden, wenn Sie kurzfristig oder mittelfristig die Pflege eines nahen Familienmitglieds übernehmen müssen.
- Familienpflegezeit (FPfZG): Dieses Gesetz kommt ins Spiel, wenn Sie die Pflege über einen längeren Zeitraum neben Ihrer Arbeit organisieren möchten. Sie können Ihre Arbeitszeit bis zu 24 Monate reduzieren, um sich kontinuierlich um ein pflegebedürftiges Familienmitglied zu kümmern. Einkommensverluste werden durch ein zinsloses Darlehen ausgeglichen und Ihr Arbeitsplatz ist ebenfalls gesichert.
Sie können auch von einem Angebot nahtlos in das andere übergehen, allerdings längstens für 24 Monate.
Pflegezeitgesetz: Freistellung und Kündigungsschutz
Das Pflegezeitgesetz ist kein abstraktes Gesetzespapier, sondern bietet Ihnen als pflegenden Angehörigen konkrete Möglichkeiten. Je nach Situation, ob Ihr Familienmitglied plötzlich Hilfe braucht, längerfristig gepflegt werden muss oder sich in der letzten Lebensphase befindet, haben Sie unterschiedliche Rechte auf Freistellung.
1. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung (bis zu 10 Tage)
Wenn Ihr Familienmitglied plötzlich pflegebedürftig wird, müssen viele Dinge sofort organisiert werden: Arzttermine, Medikamente, Pflegehilfsmittel oder die Betreuung in der ersten kritischen Phase.
Hier greift die kurzzeitige Arbeitsverhinderung:
- Dauer: Bis zu 10 Tage Freistellung nach Pflegezeitgesetz.
- Wer kann sie nutzen: Sie, wenn Sie ein nahes Familienmitglied pflegen.
- Finanzielle Unterstützung: Pflegeunterstützungsgeld in Höhe von etwa 90 % Ihres Nettoarbeitsentgelts.
- Kündigungsschutz: Während dieser Freistellung sind Sie vor einer ordentlichen Kündigung geschützt.
Praxisbeispiel:
Ihr Elternteil erkrankt plötzlich schwer an einer chronischen Krankheit oder hat einen akuten Schub. Sie können sofort freinehmen, um Arzttermine zu organisieren, Pflegehilfsmittel bereitzustellen und die häusliche Pflege zu sichern. In dieser Zeit erhalten Sie Pflegeunterstützungsgeld und Ihr Arbeitsplatz ist geschützt.
2 .Pflegezeit (bis zu 6 Monate)
Wenn klar wird, dass Ihr Familienmitglied längerfristig pflegebedürftig ist, können Sie die Pflegezeit nutzen.
- Dauer: Bis zu 6 Monate Freistellung nach Pflegezeitgesetz, in Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten.
- Wer kann sie nutzen: Sie, wenn Sie ein nahes Familienmitglied pflegen.
- Finanzielle Unterstützung: Es handelt sich in der Regel um eine unbezahlte Freistellung, Sie können aber ein zinsloses Darlehen beantragen.
- Kündigungsschutz: Während der gesamten Pflegezeit genießen Sie einen Kündigungsschutz.
Praxisbeispiel:
Ihre Partnerin erleidet einen Herzinfarkt und benötigt intensive Pflege. Sie reduzieren Ihre Arbeitszeit oder nehmen eine unbezahlte Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz, um die Pflege sicherzustellen, ohne Ihren Job zu riskieren.
3. Sterbebegleitung (bis zu 3 Monate)
Wenn Ihr naher Angehöriger in der letzten Lebensphase ist, ermöglicht das Pflegezeitgesetz eine besondere Freistellung – so können Sie ihn begleiten.
- Dauer: Bis zu 3 Monate, ganz oder teilweise.
- Wer kann sie nutzen: Sie, wenn Ihr nahes Familienmitglied unheilbar erkrankt ist.
- Finanzielle Unterstützung: Zinsloses Darlehen zur Überbrückung.
- Kündigungsschutz: Während der Begleitungszeit besteht ebenfalls Kündigungsschutz.
Praxisbeispiel:
Ihr Vater ist unheilbar erkrankt. Sie nehmen eine Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz, um die verbleibende Zeit mit ihm zu verbringen, ihn zu pflegen und wichtige organisatorische Dinge zu regeln.
Gut zu wissen!
Wenn sich die Situation Ihres Angehörigen ändert, endet die Pflegezeit automatisch vier Wochen nach dem Ereignis. Dazu gehören zum Beispiel: Ihr Familienmitglied ist nicht mehr pflegebedürftig, begibt sich in ein Pflegeheim oder verstirbt – informieren Sie Ihren Arbeitgeber darüber ohne zeitliche Verzögerung.
Pflegezeit für Angehörige: Voraussetzungen
Damit Sie die Pflegezeit in Anspruch nehmen können, müssen einige Bedingungen erfüllt sein:
1. Pflegebedürftigkeit Ihres Angehörigen
Ihr Familienmitglied muss nach den Regeln der Pflegeversicherung als pflegebedürftig eingestuft sein. Das bedeutet: Es liegt mindestens Pflegegrad 1 vor.
2. Nahe Angehörige
Die Pflegezeit können Sie nur für sogenannte nahe Angehörige nutzen. Dazu gehören zum Beispiel:
- Ehepartner:innen, Lebenspartner:innen oder Partner:innen in eheähnlicher Gemeinschaft
- Eltern, Schwiegereltern, Großeltern
- Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder, Enkelkinder
- Geschwister oder Schwiegerkinder
3. Ankündigungsfrist
Bitte beachten Sie unbedingt die geltenden Ankündigungsfristen:
- Bei der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (bis zu 10 Tage) müssen Sie Ihren Arbeitgeber sofort informieren, sobald Sie wissen, dass Sie fehlen werden.
- Für die Pflegezeit (bis zu 6 Monate) und die Sterbebegleitung (bis zu 3 Monate) gilt: Sie müssen die Freistellung schriftlich mindestens 10 Arbeitstage vorher ankündigen. Geben Sie dabei auch an, wie lange Sie die Pflegezeit nutzen möchten.
Übrigens: Sie können die Pflegezeit nur dann vorzeitig beenden, wenn Arbeitgeber:innen damit einverstanden sind oder Ihr Angehöriger keine Pflege mehr braucht.
Bekomme ich während der Pflegezeit eine Lohnfortzahlung?
Während der Pflegezeit erhalten Sie grundsätzlich kein Gehalt vom Arbeitgeber. Die Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz ist nämlich in erster Linie ein rechtlicher Anspruch darauf, dass Sie Ihrer Arbeit fernbleiben dürfen – bezahlt wird diese Zeit jedoch nicht. Denken Sie an das bereits thematisierte Pflegeunterstützungsgeld für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung. Dieses ist aber kein Lohn, sondern eine Leistung, die ähnlich wie Krankengeld funktioniert und nur einen Teil Ihres Verdienstausfalls ersetzt.
Bei der längeren Pflegezeit von bis zu sechs Monaten sowie bei der Sterbebegleitung von bis zu drei Monaten wird ebenfalls kein Gehalt gezahlt. Damit Sie in dieser Zeit nicht völlig ohne Einkommen dastehen, können Sie beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ein zinsloses Darlehen beantragen. Dieses wird in monatlichen Raten ausgezahlt und soll helfen, die laufenden Kosten während Ihrer Freistellung zu überbrücken.
Gut zu wissen!
Sozialversicherungstechnisch sind Sie gut aufgestellt: Die Pflegekasse des Pflegebedürftigen zahlt nämlich Beiträge für Sie ein.
Darlehen während der Pflegezeit berechnen
Mit dem Familienpflegezeit-Rechner des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben können Sie online ermitteln, wie hoch Ihr zinsloses Darlehen während der Pflegezeit ausfallen könnte.
So gehen Sie vor:
- Angaben bereithalten: Sie benötigen Ihr Gesamtbruttoeinkommen der letzten 12 Monate, Ihre Steuerklasse, die durchschnittliche Wochenarbeitszeit vor der Pflegezeit sowie die geplante Dauer der Pflegezeit in Monaten.
- Rechner aufrufen: Besuchen Sie die Website des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben und öffnen Sie den dort verlinkten Familienpflegezeit-Rechner.
- Daten eingeben: Tragen Sie alle Angaben sorgfältig ein. Prüfen Sie Brutto- und Nettowerte genau, damit das Ergebnis stimmt.
- Ergebnis prüfen: Der Rechner zeigt Ihnen den möglichen monatlichen Darlehensbetrag. Beachten Sie: Dies ist eine Orientierung, verbindlich wird die Höhe erst im Antrag beim BAFzA.
- Antrag stellen: Wenn das Ergebnis für Sie passt, laden Sie die Antragsformulare über die Seite „Wege zur Pflege“ oder direkt beim BAFzA herunter, fügen Sie die notwendigen Nachweise bei (z. B. Entgeltbescheinigung Ihres Arbeitgebers, Pflegebedürftigkeitsnachweis) und reichen alles ein.
FAQs – Häufige Fragen zum Pflegezeitgesetz
Wer kann Pflegezeit beantragen?
Pflegezeit kann für nahe Angehörige in Anspruch genommen werden, die nach den Regeln der Pflegeversicherung mindestens Pflegegrad 1 haben. Dazu zählen Eltern, Kinder, Ehe- oder Lebenspartner:innen, Großeltern und Geschwister.
Wird während der Pflegezeit Lohn gezahlt?
Die Pflegezeit ist grundsätzlich eine unbezahlte Freistellung. Für bis zu zehn Tage kann Pflegeunterstützungsgeld beantragt werden. Bei längerer Pflegezeit oder Sterbebegleitung besteht die Möglichkeit eines zinslosen Darlehens über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).
Wie lange kann Pflegezeit genommen werden?
Eine kurzfristige Pflege kann für bis zu zehn Arbeitstage beansprucht werden. Die längerfristige Pflegezeit kann bis zu sechs Monate dauern, für Sterbebegleitung bis zu drei Monate.